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Sport zwischen Realität & Reality

Eigentlich hätte hier schon lange der Rennbereicht aus Eschborn, vom Circuit Cycling oder Rund um Köln 2020 und schon sehr bald vom Münsterland Giro 2020. stehen müssen. Aber dank Corona wurde neben dem sozialen und wirtschaftlichen auch das sportliche und private Leben in Deutschland auf den Kopf gestellt, bzw. in vielen Bereichen nicht nur eingeschränkt, sondern gleich eingestellt.

Dieses Jahr 2020 - und ich hoffe, dass es nur ein Jahr bleibt - werde ich so schnell nicht wieder vergessen.

Im Winter eines jeden Jahres werden bei mir in der Regel die Termine für das kommende Jahr festgezurrt. Grundsätzlich wollte ich bei meinem abwechslungsreichen und für mich anspruchsvollen Programm bleiben, also über Eschborn/Frankfurt zum Nürnburgring, Rund um Köln und Rad am Ring, um schlußendlich die Jedermannsaison in Münster abzuschließen. Ich hatte kurz überlegt bei der Tour d'Energie mitzumachen. Leider bestand für dieses Datum eine Terminkollision. Alle anderen Termine standen, die Anmeldungen waren erfolgt, bestätigt und auch bezahlt.

Weiterhin gehörte zu meinem Plan für 2020 die Vorbereitungen im Winter auf einem smarten Direkttrainer. Bislang konnte ich "nur" auf einem smarten Rollentrainer  traineren, auf dem mein alter Stahlrenner mit 6fach Rahmenschaltung eingespannt war. Den Rollentrainer (TACX Bushido smart mit Magnetbremse) wollte ich ehrlich gesagt nicht meinem Ultimate, schon gar nicht dem Aeroad antun.

Bei dem Direkttrainer wird letztlich nur das hintere Laufrad gegen den Direkttrainer getauscht und das Rad kann "normal" für ein Indoor-Training genutzt werden.

Tacx Bushido Smart (Magnetbremse)
Tacx Bushido Smart (Magnetbremse)
Tacx Bushido Smart (Magnetbremse)
Tacx Bushido Smart (Magnetbremse)
Tacx Flux 2 (Direkttrainer)
Tacx Flux 2 (Direkttrainer)

Sport im virtuellen Raum

Die Vorbereitung auf die kommende Saison findet bei mir regelmäßig auf der Rolle im Winter statt. Ab September/Oktober (je nach Wetterlage) aktivierte ich meinen bestehenden Zwift-Account, damit ich durch virtuelle Welten mit anspruchsvollen Profilen fahren, bzw. zwiften, kann. Das macht Spaß, allerdings finde ich jedes Jahr, dass es nach vier bis fünf Monaten, also Ende März, tatsächlich reicht.

Dieses Jahr hatte ich allerdings weiterhin im Sinn, mich bei einem der unzähligen Online-Rennen von Zwift anzumelden, um mich während der Wintermonate ein wenig zu fordern.

Screenshot Zwift
Screenshot Zwift
Screenshot Zwift
Screenshot Zwift
Screenshot Zwift
Screenshot Zwift
aus Anlass der Tour de France 2020 habe ich mein virtuelles Rad geb gefärbt
aus Anlass der Tour de France 2020 habe ich mein virtuelles Rad geb gefärbt

Ich hatte mich vor einiger Zeit mit dem Rollentraining auseinandergesetzt. Das macht nicht unbedingt jedem Spaß, hat für mich persönlich aber Vorteile:

  • kürzer Zeitansatz
  • sehr gezieltes Training möglich, ohne das Streckenprofil zu berücksichigen
  • Trainingsprogramme absolvieren
  • Wetterunabhängigkeit

Im November 2019 habe ich "testweise" mein erstes Rennen im virtuellen Raum bestritten. Vor der Teilnahme an einem solchen Rennen wird der Wettbewerb vorgestellt und die teilnehmenden ("Leistungs-")Klassen bekannt gegeben. Diese sollte man allerdings kennen, damit der Wettbewerb den Sportler fordert, aber nicht überfordert.

Zwift bietet 5 Leistungsklassen an, die in der Regel nach "Kraft pro kg des Körpergewichts" gestaffelt sind. Dieser Wert kann durch einen FTP-Fest bestimmt werden.

Ich selbst bin in der Lage irgendwo zwischen 3,0 W/kg und 3,2 W/kg zu treten. Das entspricht bei meinem Körpergewicht von ca. 80 kg einem FTP-Wert von ca. 260 Watt/20 min. Mit meinen Werten macht eine Anmeldung in der Klasse C (2,5 W/kg bis 3,1 W/kg) Sinn. Die Klasse ab 3,2 W/kg ist bereits zu leistungsstark für mich.

Ein Wert von über 5,0 W/kg stuft die Plattform den Sportler zum Profisport gehörig ein und führt grundsätzlich zunächst zur Disqualifikation, da ein solcher Wert "im realen Leben" bestätigt werden muss.


Wie funktioniert ein Rennen auf Zwift?

Wie funktioniert nun ein Online-Rennen bei Zwift? Grundsätzlich sind die Renndistanzen eher als kurz bis sehr kurz zu bezeichnen. Als Zeitansatz reicht bei den meisten Veranstaltungen eine Dauer von ca. 30 bis 60 Minuten einzuplanen. 

Nach der Anmeldung, welche ich über die Internetseite von Zwift, Internetseite von Zwiftpower, oder hauptsächlich über die TrainingsAPP Zwift Companion vornehme, melde ich mich kurz vor dem Rennen bei Zwift an und nehme am Event teil, indem der entsprechende Button betätigt wird.

Zusammen mit den anderen Teilnehmern "erreiche" ich die Startaufstellung. Dort wird erfolgt ein Countdown bis zum Start. Üblicherweise fahre ich mich ca. 30 Minuten lang irgendwo im Zwift-Universum warm, um ca. 3 bis 4 Minuten vor dem Start in der Startaufstellung zu sein.

Nach dem Start heißt es sofort: Vollgas bis zum Anschlag. Das ist nötig, um den Kontakt zum Peloton oder der ersten führenden Gruppe nicht abreißen zu lassen. Nach einem kurzen heftigen Start kann ich mich ein wenig zurücknehmen und im Windschatten der "gefundenen" Gruppe mithalten. Nun heißt es für den Rest des Rennens mithalten zu können, aber wenn möglich keine Führungsarbeit zu leisten. Führungsarbeit kostet tatsächlich mehr Kraft, Windschattenfahren ist tatsächlich bei Zwift möglich (die benötigte Kraft bis zu 30% geringer). Aber allein "Mithalten können" ist leider nicht oft der Fall, egal wie parasitär ich fahre.

Nach ungefähr einem Viertel der Renndistanz erfolgen die ersten Angriffe in der Spitze. Diese zu kontern übersteigt oft meine Leistungsgrenzen und ich muss die Spitze ziehen lassen. Ganz selten gelingt es mir, in Sichtweite dran zu bleiben. Von Rennkontrolle kann aber nicht ansatzweise gesprochen werden.

Die Spreu vom Weizen wird regelmäßig bei den Anstiegen getrennt. Ich selbst habe mich für einen guten Rouleur, aber mäßigen Bergfahrer, gehalten. Tatsächlich offenbaren Zwift-Veranstaltungen eine gewisse Bergstärke, allerdings eine mäßige Fähigkeit, lange hohe Geschwindigkeiten fahren zu können. Bei Rennen mit vielen Höhenmetern bin ich vorne dabei, bei flachen Rennen nur im Mittelfeld zu finden. Dabei macht Tempobolzen, zumindest in der Realität, am meisten Spaß. 
Insgesamt machen diese Veranstaltungen großen Spaß. Ich bin nach einem solchen Rennen am Ende, voller Laktat und erschöpft. Aber: ich kann mich im virtuellen Raum mit Sportlern weltweit messen und batteln. Das liebe ich und vermisse es auch in der Realität. 
Bei der Zwift-Veranstaltung "Tour For All" zum Beispiel habe ich Platz 43 von knapp über 10.000 Sportlern erreicht. Das gibt mir ein mehr als nur ein gutes Gefühl. 
Startaufstellung bei Zwift
Startaufstellung bei Zwift
"leere" Startaufstellung bei Zwift, ich bin auf dem roten Trek
"leere" Startaufstellung bei Zwift, ich bin auf dem roten Trek
seit der TdF 2020 gibt es den Stadtparcours in Paris bei Zwift
seit der TdF 2020 gibt es den Stadtparcours in Paris bei Zwift
aktuell ist das Rad (Canyon Aeroad 2021(!) in rosa (Giro d'Italia) eingefärbt
aktuell ist das Rad (Canyon Aeroad 2021(!) in rosa (Giro d'Italia) eingefärbt

Sport in der Realtität

Das Jahr 2020 habe ich nicht ganz ungenutzt verstreichen lassen. Im März/April 2020 wurden in kurzer Zeit alle Jedermann-Rennen abgesagt, aus Gründen des Infektionsschutzes verzichte ich auch aktuell auf Gruppenausfahrten.

Welche Ziele hat man noch in einem sabbatähnlichem Jahr? Das gezielte Training für die Topografie bzw. Eigenart eines Rennen sind schnell entfallen, auch mein Ziel die Wettkampfpunkte des Vorjahres zu erreichen fallen somit flach. Also mussten andere Ziele gesteckt werden. Einen Grund aufs Rad zu steigen, benötige ich grundsätzlich nicht. Aber das Radfahren macht mit einem konkreten Ziel noch mehr Spaß: also heißt es diesmal:

10.000 km im Jahr 2020 !!!

Neben diesem Ziel, welches ich erst im März 2020 formuliert habe, habe ich mich intensiv mit meinem topografischen Umfeld befasst und viele neue Strecken erkundet, bzw. meine bestehenden Strecken auf "sichere" Wegen gelegt. Ich habe meinen Radius deutlich erweitert und viel über meine Umgebung gelernt.

Auch habe ich in diesem Jahr erstaunlich viele Kilometer im "Radparadies" Zeeland zurückgelegt. Das lag in diesem Jahr an der Vielzahl der Besuche in meiner "zweiten Heimat", oder dem "lucky place" meiner Frau und mir.

Zusammenfassend betrachtet habe ich für mich das Beste aus dieser komischen Zeit gemacht.

Pandemie als Chance

Die Corona-Pandemie hätte auch "gute"  Effekte haben können. Zwei Beispiele: im Frühjahr 2020 und Sommer 2020 wurde im Rahmen des Lockdowns der Reiseverkehr eingestellt, viele Leute haben im Home-Office von zu Hause gearbeitet und sind (wegen des fantastischen Wetters?) auf das Fahrrad umgestiegen. Das hatte sofort sichtbare Auswirkungen auf die Verkehrsdichte und unsere Umwelt. Es gab über nahezu zwei Monate keine Staumeldungen. Die Natur erholte sich an vielen Stellen, ich selbst habe noch nie eine so klare Weitssicht in der Eifel genossen. 

Home-Office ist an vielen Stellen möglich und entlastet spürbar den Verkehrsraum. Gepaart mit dem derzeitigen Fahrradboom ist hier ein unglaubliches Potential für Umwelt und Klima vorhanden.

Im Verkehrssektor könnte der überregionale Ausbau eines knoten-/kreuzungsfreien Radwegesnetzes (ähnlich dem niederländischen Vorbild) endlich in Angriff genommen werden. Um im ländlichen Bereich die landwirtschaftlichen Wege zu nutzen, benötigt man gute Ortskenntnis. Der passionierte Radfahrer nutzt diese Wege, er braucht auch nicht für die Nutzung des Rades überzeugt werden. Es muss (endlich) ein Verkehrsnetz für Radfahrer (und andere langsame Verkehrsarten) geschaffen werden, das auch für sog "Nicht-Radfahrer" oder Gelegenheitsradfahrer attraktiv ist. 

Gleiches gilt auch für den innerstädtischen Verkehr. Ein Radfahrer legt eine innerstädtische Strecke schneller zurück als ein Auto. Das wurde in vielen Studien belegt. 

Deutschland benötigt keine Autolobby, sondern eine Lobby für eine Verkehrswende, für andere Verkehrsarten. Für ein besseres Klima und eine bessere Umwelt für nachfolgende Generationen....


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